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2/19/2017

Freundlich, Otto - Museum Ludwig Köln

Otto Freundlich: Kosmischer Kommunismus
Er ist einer der originellsten Abstrakten des 20. Jahrhunderts. Fast 40 Jahre nach der großen Retrospektive in Bonn zeigt das Museum Ludwig das Werk von


>> Otto Freundlich 1878 Slupsk † 1943 KZ - Majdanek

Mit Hilfe von rund 80 Exponaten zeichnet die Ausstellung Werk, Denken und Leben eines Künstlers nach, der Gemälde und Skulpturen ebenso schuf wie Fenster und Mosaike, der in leidenschaftlicher Auseinandersetzung mit den wichtigsten Kunstströmungen seiner Zeit einen eigenen Weg zur Abstraktion fand und der schließlich von den Nazis an den Rand gedrängt, als „entartet“ verfemt und als Jude ermordet wurde. 
Diese Ausgrenzung und Auslöschung von Werk und Künstler prägt die Rezeption bis heute. Viele von Freundlichs Arbeiten wurden im nationalsozialistischen Deutschland zerstört. Sein Großer Kopf, den die Nazis 1938 auf das Titelblatt ihres Ausstellungsführers Entartete Kunst setzten, ist noch immer sein bekanntestes Werk. Die Retrospektive weist nach, dass die Nazis nicht nur den Titel dieses Werks fälschten (sie gaben ihm den noch heute üblichen Titel „Der neue Mensch“), sondern auch die Skulptur selbst: Auf mindestens einer Station der Wanderausstellung Entartete Kunst stellten sie statt des Originals eine plumpe Nachbildung aus.
Das Museum Ludwig ermöglicht nun eine Begegnung mit Freundlichs Gesamtwerk und rückt es in das Zentrum der kunstgeschichtlichen Entwicklung. Die Ausstellung (18.02.2017 - 14.05.2017) setzt ein mit den um 1910 entstandenen Kopf-Plastiken und -Zeichnungen, stellt die kaum bekannten angewandten Arbeiten neben seine Skulpturen, Gemälde und Gouachen und liefert Einblicke in seine Schriften, in denen er sein Schaffen sozial und künstlerisch verortet hat.
Freundlich, der seit 1924 in Paris lebte, war mit führenden Künstlern seiner Zeit befreundet. Einen Appell an den französischen Staat zum Ankauf eines seiner Werke unterzeichneten 1938 Robert und Sonia Delaunay, Alfred Döblin, Wassily Kandinsky, Pablo Picasso und viele andere. Charakteristisch für seine eigene Entwicklung war zunächst die Nähe zur angewandten Kunst. In Teppichen, Mosaiken und Glasmalereien schloss er an die mittelalterliche Tradition der Zünfte an, um sie mit einer kollektiven Kunst der Zukunft zu verbinden. In der leuchtenden Flächigkeit alter Kirchenfenster sah er die Begrenzungen einer plastischen, von den Konturen der Gegenstände her konzipierten Kunst überwunden.
Mit seinen eigenen angewandten, erst recht mit den abstrakten Arbeiten verfolgte er diesen Weg weiter. Die Abstraktion verstand er als Ausdruck einer radikalen Neuerung, die weit über die Kunst hinausging. Die gekrümmten Farbflächen seiner Gemälde reflektieren etwa das Raumkonzept der Physik Einsteins, mit der er schon früh vertraut war. Die Überwindung der Gegenständlichkeit hat aber auch eine soziale Dimension. Für Freundlich war alle dingliche Wahrnehmung von Besitzdenken durchdrungen und damit überholt: „das Objekt als Gegenpol des Individuums wird verschwinden; also auch das Objekt-sein eines Menschen für den andern“. Den Zusammenklang der Farben auf seinen Bildern sah er stets in einem Zusammenhang mit dem großen Ganzen. In dem Kommunismus, für den er kämpfte, sollte es keine Grenzen mehr geben „zwischen Welt und Kosmos, zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mein und Dein, zwischen allen Dingen, die wir sehen“.
(Text: Museum Ludwig)